Das Spieljahr 1973/74
(Aus dem Jubiläumsheft zum 60sten "Aus blau-weißen Matrosen wurden Styrumer Löwen", 
1923-1983, der Werdegang des 1.FC Mülheim-Styrum 1923 e.V.)

Unser Verein startete am 12. August 1973 illusionslos in das zweite Regionalligajahr. Das vom Vorstand und von Trainer Albert "Ala" Becker bei jeder Gelegenheit wiederholte Versprechen, unter allen Umständen die 2. Bundesliga anzupeilen, war doch wohl reiner Zweckoptimismus, war der Versuch, die Anhänger bei Stimmung und Spannung zu halten. Doch Albert Becker glaubte an diese Mannschaft, auch wenn es anfangs nicht danach aussah.

Die Premiere gelang, denn 4.000 Zuschauer sahen eine glänzend aufgelegte Styrumer Mannschaft, in der die Neuzugänge Mertes, Bals und Zedel beim 3:1 über Siegen im Blickpunkt standen. Herbert Bals schoss das erste Tor für seine neue Mannschaft und glich die Führung der Siegener aus. Optisch machte sich der erste Sieg in der Tabelle gut: 2. Platz. Und dieser Rang wurde auch im zweiten Spiel nach einer schwachen Partie bei SVA Gütersloh verteidigt, wo die Begegnung mit dem gleichen Ergebnis endete. Den zwei Siegen folgten zwei Niederlagen, die der sogenannten Papierform und auch den Erwartungen entsprachen. War das 1:2 im Ruhrstadion gegen Borussia Dortmund, vor 10.000 Zuschauern, nach Bachmanns 1:0 Führung und großem Spiel noch unglücklich, so endete das Lokalderby gegen Oberhausen verdient mit 2:1 für den FC.

Unbeständigkeit bestimmte nun über Monate das Spiel der Löwen. Ausgezeichneten Heimleistungen folgten schwache Auswärtspartien. In Krefeld zog sich die Mannschaft mit dem 3:1 noch achtbar aus der Affäre. Doch bei der höchsten Saisonniederlage bei Schwarz-Weiß Essen und gegen Gütersloh mit 0:6 und 0:4 versagten sie kläglich.

So etwas wie eine Krise schlich sich ein. Die bestätigte auch das schmeichelhafte 2:2 bei Viktoria Köln. Mit einem 3:0 Heimsieg gegen Preußen Münster und einem 1:3 gegen Wattenscheid 09 schlossen wir dann die erste Serie ab.
Platz zehn mit 17:17 Punkten, die 2. Bundesliga war in weite Ferne gerückt.

Dann kam jedoch die Rückrunde und dies wurde ein triumphaler Erfolg! Mit einer sensationellen Siegesserie waren die Styrumer Löwen kaum noch zu bremsen.
Nach Wochen des Experimentierens hatte Albert Becker seine Stammelf gefunden, in der Heiko Mertes mehr und mehr in die Rolle des Spielgestalters wuchs. Das 1:0 gegen Gütersloh war demnach vorprogrammiert, jedoch die 0:3 Niederlage in Dortmund weniger, welche zudem nicht der Leistung der Mannschaft entsprach. Wie großartig mittlerweile die Moral des Teams war, bewies der Sieg mit 3:0 gegen den Nachbarn Rot-Weiß Oberhausen, wobei deren Routiniers chancenlos gegen unsere entfesselnd aufspielende Mannschaft war.

3:1 bei Westfalia Herne - nur eine Pflichtaufgabe - , bei der Heiner Pottgießer brillierte. 3:2 über Uerdingen, die mit diesem Ergebnis noch gut bedient waren. Drei Siege, 6 Punkte, 9:3 Tore - die beste Zwischenbilanz. Ganz schön, aber wie lange würde, so fragte sich die Konkurrenz, dieser Höhenflug anhalten?
In Bielefeld, das war der allgemeine Tenor, würde man die Styrumer Löwen stoppen. 15.000 Zuschauer auf der Alm, Großkampfstimmung wie zu Bundesligazeiten, Fanatismus, der von der örtlichen Presse geschürt wurde. Es lief aber nicht nach Wunsch der Arminen. Sie gingen zwar nach 12 Minuten mit 1:0 in Führung, doch Reiner Greiffendorf egalisierte dies durch einen Strafstoß. Dieses Unentschieden hatte zur Folge das Fans randalierten, ein aus der Kontrolle geratenes Bielefelder Präsidium welches sein peinliches Auftreten erst beendete als Trainer Faßnacht äußerte, daß man sich mit dem Punkt glücklich zeigte.

Der FC blieb auf Erfolgskurs, 5:1 in einem der besten Saisonspiele gegen den ETB Schwarz-Weiß Essen, 1:0 beim starken Neuling aus Lüdenscheid, 5:2 gegen die DJK Gütersloh. Die Statistiker rechneten: 13:1 Punkte, 16:5 Tore. Der 8. Erfolg schien nur in der Höhe fraglich. Wer war denn schon Eintracht Gelsenkirchen? Unter den 5.000 Zuschauern waren 3.000 Fans aus Mülheim die ein böses Erwachen erlebten, nach dem Schlußpfiff hatte der Favorit aus Mülheim 4:2 verloren. Katerstimmung bei den Fans!

Doch gegen Alemannia Aachen zeigte die Mannschaft wieder Moral und gewann mit 2:1. Durch eine tadellose Einstellung der Mannschaft im kämpferischen Bereich, wurde die spielerische Linie des Styrumer Spiels zurückerobert. Das 6:1 über Erkenschwick war problemlos, ebenso wie das taktische 1:1 gegen Union Solingen und in Siegen. In diesen beiden Spielen zeigte sich die verrückte Situation recht deutlich, die durch den Tabellenschlüssel zur zweiten Liga vergeben war. Beide Spiele durften vom FC nicht gewonnen werden, denn dann hätte Erkenschwick Siegen und Ohligs überflügelt und wäre in der Endabrechnung zur Eingliederung unaufholbar entrückt.

Die wohl trübste Stimmung herrschte wohl am 21. April 1974, als die Löwen gegen Viktoria Köln mit 6:0 verloren hatten und die Nachricht des Sieges der Erkenschwicker in Solingen eintraf.
Erkenschwick hatte sich damit unwiderruflich den 10ten Tabellenplatz gesichert und damit den letzten freien Platz in der neuen 2. Bundesliga.

Die Reaktion der Löwen waren Trotz und Wille! Es folgten Siege gegen Münster mit 3:1 und auch gegen Wattenscheid gewann man mit 2:0.

Zudem konnten die Löwen stolz auf die Statistiken gucken:
Beste Mannschaft der 2. Serie mit 27:7 Punkten und 45:19 Toren,
Zweitbeste Heimmannschaft mit 32:2 Punkten und 55:12 Toren,
Schussstärkste Elf zu Hause mit 60:19 Toren in 17 Heimspielen.

Diese Triumphe feierte unsere Mannschaft, als es darauf ankam, einen Platz in der Aufstiegswertung zu sichern, einen Rang unter den elf oder zwölf punktbesten Mannschaften der West Regionalliga.

Zehn Plätze waren aufgrund des komplizierten Aufstiegsschlüssels vorab vergeben. Die aktuelle sportliche Leistung wurde nicht belohnt. Ein Beispiel: Die Ex- Bundesligisten Dortmund, Bielefeld oder Oberhausen konnten noch so mies spielen, sie waren in dem Moment qualifiziert, als ihr Klassenverbleib feststand. Diese an Kuriositäten und Merkwürdigkeiten reiche Saison, in der die Vereine nach jedem Spiel Zwischenbilanz zogen und neben der aktuellen Tabelle der zweiten Liga studierten, stellte alle sportlichen Gesetze auf den Kopf!

Die Skandaltruppe von der Alm aus Bielefeld konnte es sich damals leisten, über Monate durch die Abstiegszone zu torkeln. Erst als für sie die Situation brenzlig wurde, löste sie sich vom 16. Tabellenplatz (der den Abstieg in das Amateurlager bedeutet hätte) und platzierte sich außerhalb der Gefahrenzone und ließ die Saison lust- und erfolglos ausklingen.

Der FC war nicht für die 2. Bundesliga Nord qualifiziert, wohl aber all unter uns in der Tabelle rangierten Vereine. Doch die Fußballgötter hatten ein Einsehen mit den Löwen und verhalfen uns doch noch in die 2. Bundesliga.
Am 05. Juni 1974 qualifizierte sich Tennis Borussia Berlin mit einem 3:1 Sieg über St. Pauli Hamburg für die 1. Bundesliga. Ein Platz war demnach wieder frei und dieser gehörte dem 1. FC Mülheim-Styrum.

Nach großen Meinungsverschiedenheiten zwischen Meistermacher und Trainer Albert Becker und dem damaligen Präsidenten Haunstein, kündigte Becker seinen Vertrag mit dem FC auf.
Albert Becker sollte nach den Vorstellungen des Präsidenten Haunstein dem neuen Trainer Witzler als Assistent zur Seite stehen. Dieses Ansinnen lehnte Becker ab und verließ den Verein. 
Mit ihm, davon sind viele überzeugt, wäre der Verein in den darauffolgenden Jahren nicht so ins Wanken geraten.

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